Wie woke wäre Bertolt Brecht heute?

WEhrlich gesagt leben wir in sensiblen Zeiten. Der Drang zur Beleidigung trifft auf den Ehrgeiz, Opfer zu bringen. Die Funken der Kollision fliegen bis in die hintersten Ecken der sozialen Netzwerke. Fast könnte man meinen, es bestehe eine allgemeine Empörungspflicht. Wehe dem, der ihn glattköpfig nennt!

Denn ein glatter Kopf, wie ihn Bertolt Brecht in seinem berühmten Gedicht „An die Nachgeborenen“ festhält, zeugt von Gefühlslosigkeit, also einem störenden Mangel an Sensibilität und Denkvermögen, von Wut ganz zu schweigen. Das Stirnrunzeln ist schon fast zum Zeichen der Generation geworden? Wer will heutzutage noch faltenfrei an der Seitenlinie sitzen! Also spitzt die Ohren, ihr Glattgesichter, und korrigiert euch, denn „Es kann nicht unmöglich sein / Nützliches zu lernen“.

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Die große Kunst des Zusammenlebens

Dies ist das schönste Meister-Yoda-Deutsch und stammt aus einem der weniger bekannten Gedichte von Brecht. Brecht fordert seine Zuhörer auf, ihre Beobachtungsgabe zu stärken und „Forscher und Lehrer in der Kunst des Umgangs mit Menschen zu sein. / Ihre Natur zu kennen und sie zu zeigen, sie zu lehren / Sich selbst zu behandeln. Lehre sie die große Kunst des Zusammenlebens“. Er sehe die Besten unter seinen Zuhörern, jubelt Brecht und greift gierig nach neuen Erkenntnissen: „Und schon / studieren viele von euch die Gesetze des menschlichen Zusammenlebens, schon / bereitet sich eure Klasse darauf vor, ihre Schwierigkeiten und damit / die Schwierigkeiten aller zu beherrschen Menschheit”.

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Das klingt gut, aber zu wem und zu wem spricht Brecht hier eigentlich? Ein Lehrer? Ein Politiker? Aktivisten? Was würde Brecht heute sagen, wenn er z. B. sehen würde, wie Nichterziehungsberechtigte der jüngeren Generation und schwer zu erziehende Angehörige der älteren Generation sich bewusst missverstehen? Brecht, da ist sich zumindest Jürgen Hillesheim, Leiter der Brecht-Forschungsstelle in Augsburg sicher, steht definitiv nicht auf der Seite der “sogenannten Wachheit”.

Laut Hillesheim sieht der Dichter die Bewegung als “moralischen Bullshit” und “eine Ideologie mit totalitären Tendenzen. Er billigt das nicht. Er mochte die Spießer nicht.” Das ist eine starke These, aber Brecht hatte nichts gegen starke Thesen: Er hat einige seiner eigenen Thesen über das Theater und das Wesen des Zuschauers in dem Band „Der Blechkauf“ gesammelt, der auch das zitierte Gedicht „Rede an die dänische Arbeit“ enthält Klasse Schauspieler über die Kunst der Beobachtung“. Es ist ein langes Gedicht, dem die Frage zugrunde liegt, wie man eigentlich erfolgreich für (oder gegen) eine Sache kämpfen kann, wenn man keine Menschenkenntnis hat. „Aber die Erkenntnis von Die menschliche Natur“, so Brecht weiter, „erhält nicht der, der sich allein betrachtet.“ Zum Schluss noch ein Satz, den jeder mit Recht auf sich beziehen kann.

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