
Wissenschaft ist wertvoll, das wissen wir oder glauben es zumindest. Dennoch haben Herrscher immer wieder in die freie Ausübung der Wissenschaft eingegriffen und diejenigen verfolgt, die es trotzdem wagten. Der Wissenschaftsjournalist Thomas Bührke wirft in seinem Buch einen Blick auf solche „intellektuellen und illegalen Wissenschaftler“ und beleuchtet die unterschiedlichen Ursachen der Verfolgung.
Oft sind es konkrete Materialien: Wenn Stalin die Quantenphysik ablehnt, weil sie gegen den Materialismus ist. Manchmal reicht aber auch ein vermeintlich unorthodoxer Lebensstil, wie im Fall von Alan Turings Homosexualität, oder die bloße Originalität der Forscher, wie im Fall der Verunglimpfung der jüdischen Wissenschaft durch die Nationalsozialisten.
Kirchliche Autorität fragen
Als Ausgangspunkt wählt Bührke den frühneuzeitlichen Astronomen Giordano Bruno. Noch schärfer als Galileo griff Bruno die von Gott entschiedene Weltanschauung der Kirche als Zentrum des Erduniversums an: Es gebe viele Welten, womöglich sogar bewohnt, die jeweils den Anspruch erheben können, das Zentrum zu sein Bruno – eine Schande und Demütigung der religiösen Autoritäten.

Heute erinnert eine Bronzestatue auf einem Platz in Rom an den Universalgelehrten Giordano Bruno.© Bildallianz / Pacific Press / Matteo Nardone
Bührke erkundet Brunos Fluchtwege aus halb Europa und ihre jeweiligen Ursachen, die seiner Verfolger und Brunos eigene – und die Bewunderung von Roms Feinden, bei denen er gelegentlich Schutz und Beschäftigung findet.
Der vergessene Entdecker
Neben Bruno folgt Bührke sieben weiteren verfolgten Forschern auf den Spuren politischer Unbeliebtheit, darunter Albert Einstein, Les Meitner, Antoine-Laurent de Lavoisier und Alan Turing. Unter ihnen sind weniger bekannte Persönlichkeiten wie die geniale Mathematikerin Amy Noether, die wie viele Frauen mit Diskriminierung zu kämpfen hat.
Noether teilte dieses Schicksal beispielsweise mit Meitner, dem trotz seiner bedeutenden Rolle bei der Entdeckung der Atomspaltung – und obwohl ihn viele männliche Kollegen stark unterstützten – der Nobelpreis verweigert wurde, zu dem zweifellos auch die Nazis gehörten, der einen gewissen Schutz geboten hätte von Unterdrückung. Stattdessen galt sie nur als „Angestellte“ von Otto Hahn, obwohl die beiden Teile nicht getrennt wurden, wie Hahn selbst betonte.

1944 wurde Otto Hahn der Nobelpreis für Chemie verliehen, Lise Meitner jedoch nicht.© image-union / akg-images / akg-images
So auch Noether, der wie Meitner zunächst nur vor dem Verlust seiner Existenzgrundlage floh, aber nicht aktiv verfolgt wurde. Obwohl später viele mathematische Theorien nach ihm benannt wurden, ist sein Name bis heute weitgehend unbekannt: die typische unheilige Kombination aus frauenfeindlich-klerikaler Politik und kulturhistorischer Blindheit.
Das politische Urteil der Wissenschaft
Ein zentrales Thema des Buches ist die wiederholte Beobachtung, dass Lob oder Ablehnung von Wissenschaftlern immer politisch motiviert ist. Überraschend ist jedoch, dass Bührke den vielleicht schlagendsten Beweis dafür nicht anspricht: den Kugelwechsel voller nationaler Vorurteile selbst unter den ernsthaftesten Wissenschaftlern während des Ersten Weltkriegs, bei dem Paul Ehrlich und Henri Poincaré nicht oben standen entweder. selbst
Überhaupt wirkt Bührkes Auswahl der Fallstudien willkürlich. Ein klares Kriterium fehlt: zum Beispiel bisher unbekannte Fälle oder der Ausschluss mancher Forscher durch die eigenen Kollegen, wofür die Wissenschaftssoziologie eine Fülle unangenehmer Beispiele bietet. Aber als Einstieg in eine ganz andere Gesellschaftslandschaft, in der es trotz aller Objektivitätsansprüche oft einer (politisch) giftigen Schlangengrube gleicht, bietet der Band solide recherchierte, erhellende Unterhaltung.