
Stuttgart (dpa) – Deutschland steuert in Sachen Standortattraktivität nach Einschätzung des Motorsägen-Unternehmers Nikolas Stihl auf einen Wendepunkt zu. „Die Gefahr der Deindustrialisierung ist nicht von der Hand zu weisen“, sagte der schwäbische Familienunternehmer der Deutschen Presse-Agentur. Die deutsche Industrie hat sich bislang sehr widerstandsfähig verhalten und die Belastung mehr oder weniger in Kauf genommen. Aber es wird jedes Jahr schwieriger.
„Der deutsche Standort könnte irgendwann einen Wendepunkt erreichen, der sich sehr negativ auf die unternehmerische Handlungsbereitschaft im Land auswirken wird“, befürchtet Stihl. Dies gelang seinem Unternehmen, als es im Land nicht mehr konkurrenzfähig produzieren konnte. Deutschland war schon immer ein relativ teurer Standort, bisher kann Stihl damit umgehen. „Aber die Entwicklung in der Bürokratie, die Kostenbelastung, der Mangel an Investitionen, die wir dringend brauchen – das führt dazu, dass sich die Standortsituation hierzulande von Jahr zu Jahr verschlechtert.“
Jahrzehntelang wurde in Deutschland zu viel in den Konsum investiert und auf dem Land zu wenig, monierte Stihl. “Und wir spüren jetzt die Konsequenzen.” Große Koalitionen beschäftigen sich nicht mit wichtigen Themen und Ampeln betreffen sie auch nicht. „Wir erneuern unsere Infrastruktur zu wenig, bauen zu wenig und sind nicht innovativ genug. Wir sehen die wichtigsten Wettbewerber der Welt – wie die USA und China – links und rechts an uns vorbeiziehen.“ Auch die Rente ist nicht auf die Zukunft ausgelegt.
Für sein Unternehmen, das neben Motorsägen auch Garten- und Baugeräte herstellt, kann Stihl in der Corona-Zeit auf „außergewöhnliche Wachstumsjahre“ zurückblicken. Die Menschen werden Zeit haben, ihre Häuser und Gärten zu verschönern – außerdem können professionelle Kunden weiterhin an der frischen Luft arbeiten.
2021 hat Stihl einen Umsatzrekord von knapp über fünf Milliarden Euro erreicht. Für 2022 werde der Umsatz deutlich höher ausfallen, sagt Stihl – das liege vor allem am schwachen Euro. Stihl verkauft viel in Dollar, wenn also der Wert des Euro fällt, hilft das dem Verkauf. Hinzu kommen inflationsbedingte Preisanpassungen. Beim Umsatz wird das Unternehmen jedoch voraussichtlich unter den Vorjahreswerten liegen. Grund ist ein Problem in der Lieferkette. Über Gewinne äußert sich Stihl grundsätzlich nicht.
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